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Arbeitsgruppe Plattdeutsch im Heimatverein Gemen
 
Im Heimatverein Gemen hat sich im Frühjahr 2008 eine Arbeitsgruppe „Plattdeutsch“ gebildet. Entsprechend dem Selbstverständnis der Heimatvereine ist Anliegen der Gruppe, die plattdeutsche Sprache zu pflegen, sowohl um sich daran zu erfreuen als auch den Erhalt der Sprache zu fördern. Uns ist es wichtig, den Sprachschatz zu bewahren und wach zu halten durch Vorträge, Lesungen, plattdeutsche Unterhaltungsabende, themenbezogene Diskussionen in Platt, Förderung der plattdeutschen Lesewettbewerbe in Schulen.
 
Das Plattdeutsche und die Inhalte, die in dieser Sprache vermittelt wurden und werden, sind ein wichtiges kulturelles Erbe, das es zu bewahren gilt. Vieles lässt sich im Plattdeutschen einfacher und treffender, manchmal auch derb, aber nicht verletzend, ausdrücken.
 
 
Interessenten, die mitmachen oder Anregungen geben wollen, sind herzlich willkommen.


Beim plattdeutschen Gesprächsabend am 17. Februar 2011 wurden Treffen zu einem  "plattdeutschen Stammtisch" im Haus Grave vereinbart. Termine werden auf dieser Internetseite unter "news" und auch in der Tageszeitung bekannt gegeben. Die bisherigen Treffen waren informativ und unterhaltsam.
Begriffe wie Havergotte, Schelle Gaste und der Historie der Gemener Gaststätten,Geschäfte in Gemen, Ernte bei "kleinen Leuten",  fluchen auf plattdeutsch,  sind die aktuellen Themen. Fotos unter "Galerie".

Bei den weiteren Terminen standen im Mittelpunkt der Gespräche Themen rund um das Kriegsende 1945, insbesondere Unterkünfte für Vertriebene/Flüchtlinge, Behelfsheime, Einquartierungen, Essensmangel, Schulspeisungen und der Wiederaufbau;  Sprüche, Redensarten waren weitere Themen. Im Febr. 2015 gab es einen hochinteressanten Abend mit einem Zeitzeugen zu einem Flugzeugabsturz am 22.02.1946 (also fast ein Jahr nach Kriegsende) in Gemenkrückling. Ein englisches Flugzeug mit acht Personen Besatzung war nach einer verunglückten Notlandung in Brand aufgegangen.

Weitere Termine in 2015 :

26.03, 22.10. und 26.11.2015

2015 erstmals eine Fahrt zur Plattdeutschen Bühne nach Münster

Malatt in'n Kopp of "De Hypochonder" (Der eingebildete Kranke) Termin: Sonntag, 12. April 2015, Anmeldungen bei Joh. Friß, Tel. 02861 61160

außerdem: am 22.09.2015 gibt es einen allgemeinen Gesprächsabend, Thema: "Plattdeutsches Theater in Gemen, eine lange Tradition" - Lichtbilder und Vortrag 

Plattdüütsch Wettläsen

Im Frühjahr 2014 findet der 18. Plattdeutsche Lesewettbewerb auf Münsterlandebene statt, organisiert von der Kreisheimatpflege. Die Kreisentscheidung ist am 13. März. Für die Ermittlung des Teilnehmers an der Kreisentscheidung trafen sich im Februar 2014  acht Schülerinnen und Schüler der Cordula-Schule Gemen im Heimathaus Grave zum Vorlesen. Mit dabei waren Leni Heisterkamp, Janine Tembrink, Jonas Heisterkamp, Mattis Jünk, Tim Krügel, Jan Osing, Lara Altena und Ariane Schulz. Sie stellten sich mit ihren Lesebeiträgen einer Jury von sachkundigen Lehrern, der Heimatpflege und der Sparkasse Westmünsterland, letztere unterstützte die Veranstaltung auch mit Präsenten für die teilnehmenden Kinder. Maria Rottstegge und Ludwig Kippert hatten alles bestens organisiert. Alle Kinder boten hervorragende Leseleistungen. Lara Altena wird die Cordula-Schule auf Kreisebene vertreten. Fotos von der Veranstaltung siehe unter Galerie. 

Bericht der AG Palttdeutsch in der Jahrehauptversammlung des Heimatvereins Gemen am 22.03.2013

Zum Thema plattdeutsch gab es im vergangenen Jahr mehrere herausragende Punkte.

Kreisweiter pattdeutscher Lesewettbewerb der Schulen 2012

 Die Vorausscheidung für die Cordula-Grundschule fand im Heimathaus Grave statt. Neben den Kindern waren zahlreiche Eltern und Großeltern gekommen. Es war toll, das große Interesse zu sehen. Für die Cordulaschule ging Laura Tepferd  auf Kreisebene ins Rennen.

Schlussendlich kamen zwei Kreissiegerinnen aus Gemen. Laura Tepferd von der Cordula-Grundschule und Verena Nienhaus, von der Schönstätter Marienschule wurden  in ihren Altersgruppen Kreissieger.

Vor den Sommerferien war die AG Plattdeutsch der Grundschule noch einmal im Heimathaus zum Pfannekuchen backen und zum Essen. Plattdeutsch war die Sprache des Tages.

Initiator Ludwig Kippert hat sich bis zu seiner Pensionierung im Sommer 2012 um Plattdeutsch in der Schule in besonderer Weise verdient gemacht.

Ludwig Kippert und Maria Rottstegge führen inzwischen die AG Plattdeutsch in der Cordula-Grundschule weiter – mit aktuell mehr als 20 Kindern!

Rottendorf-Preis

Dr. Timothy Sodmann, geb. in Amerika, erhielt im vergangenen Jahr für seine besonderen Verdienste um die niederdeutsche/plattdeutsche Sprache den Rottendorf-Preis, ein Preis der nur alle zwei Jahre für ganz Westfalen vergeben wird. Aus dem Kreisgebiet erhielt den bisher nur Egon Reiche aus Bocholt.

Plattdeutscher Stammtisch

Unser plattdeutscher Stammtisch findet regelmäßig im Haus Grave statt. Hier wechseln die Themen:  Die Presseankündiung für den letzten Stammtisch lautete: „Fluchen auf Platt“. Die bisherigen Themen waren vielfältig, wie eben ein Stammtischgespräch ist, u.a.: Geschäfte in Gemen, Alltag in Gemen, wer weiß z.B. noch, dass Pastor Wigger (1924 – 1944 Pfarrer in Gemen) regelmäßig plattdeutsch sprach und auch schwarze Holzschuhe trug.  

Bericht AG Plattdeutsch in der Mitgliederversammlung des Heimatvereins Gemen am 21. März 2014 

 Auch im vergangenen Jahr gab es mehrere plattdeutsche Abende mit verschiedenen Themen. Und wer plattdeutsch sprechen oder auch nur zuhören wollte, war da im Heimathaus Grave am rechten Platz. 

Am kreisweiter pattdeutschen Lesewettbewerb 2013/2014 hat sich die Cordula Grundschule wiederum beteiligt. Ludwig Kippert u. Maria Rottstegge hatten das gut vorbereitet. Es war eine Freude, beim Lesewettbewerb im Haus Grave die Kinder plattdeutsch sprechen zu hören. Neben den Kindern waren zahlreiche Eltern und Großeltern gekommen. Letztlich hatten Lara Altena aus der Krückling und Mattis Jünck, Gemenwirthe, die Nasen vor. Deren Großmütter,  Josefa Altena und Maria Rottstegge, hatten mit den Enkelkindern wohl am fleißigsten gelernt. Der Entscheid auf Kreisebene war am 13. März im Kreishaus . Laura Tepferd aus dem Böinghook, die bereits vor zwei Jahren Kreissiegerin war, war jetzt für die 5. - 7. Klassen Siegerin. Und Carolin Elsweiler, die Schulsiegerin 2008/09 der Cordula Grundschule hatte bei den Klassen 8 – 12 die Nase vorn und wurde ebenfalls Kreissiegerin.

Ein schönes Zeichen, dass Plattdeutsch in Gemen noch einen hohen Stellenwert hat -  auch wenn die Kinder und deren Eltern plattdeutsch sicher nicht mehr als Alltagssprache gebrauchen.
  

Bericht AG Plattdeutsch für die Versammlung am 20. März 2015

Auch im vergangenen Jahr gab es mehrere plattdeutsche Abende mit verschiedenen Themen. Und wer plattdeutsch sprechen oder auch nur zuhören wollte, war da im Heimathaus Grave am rechten Platz.

Viele Informationen kommen da zu Tage. Wer weiß noch, dass „Toogetrockene“ nicht Mitglied werden konnten im Schützenverein, so wurde es jedenfalls aus Gemenkrückling-Feldmark berichtet. Dass die Gemeindemission in Gemen, St. Remigius und St. Josef täglich 3.500 Gläubige auf die Beine brachte.

Oder: Blick in die Tageszeitung vor 60 Jahren:  Pläne für einen Stausee zw. Burloer Straße, Neumühlenallee und Eisenbahn nach Winterswijk. Stadtdirektor in Borken plant das Zusammengehen von Borken und Gemen, handfester Krach. 226 Bürger treffen sich im Saal Hesekamp. Geprägt wird der Spruch „Gämen bliww Gämen“ – soll ins Schützenlied aufgenommen werden. Am 26.05.1954 eröffnet Ernst Deters die Wasserburg. Plattdeutsche Heimatspiele in Gemen – besonderer Termin am 22.09. 2015.

Unser nächster Plattdeutscher Abend beim Heimatverein ist nächste Woche Donnerstag, 26. März. 19.30 Uhr im Heimathaus, herzlich willkommen, Fahrt zur Niederdeutschen Bühne in Münster am 12. April 2015 

Bericht in der Jahreshauptversammlung am 18. März 2016:

Die regelmäßigen plattdeutschen Abende haben sich etabliert. Einen besonderen Abend gab es im November 2015. Besinnliche und nachdenklich machende Gedichte und Texte standen  auf der Tagesordnung – passend zum Monat November. Zum Vortrag kamen Gedichte von Aloys Terbille (1936 – 2009). Terbille war Sonderschullehrer in Vreden. Er hat sich über viele Jahre mit der plattdeutschen Sprache beschäftigt und zahlreiche Texte in platt verfasst. Für seine herausragenden Arbeiten wurde er wiederholt ausgezeichnet, zuletzt noch posthum im Jahre 2010 mit dem Freudenthalpreis für neuere plattdeutsche Literatur. In dem Buch „Westmünsterländische Biografien1“, 2015 herausgegeben von Ingeborg Höting, Ludger Kremer und Thimothy Sodmann, beschreibt Kremer im Rahmen der biografischen Betrachtung von Alfons Schenke (1940-2001) Aloys Terbille als einen der wenigen Autoren, die sich, abweichend von der traditionellen volkstümlichen plattdeutschen Literatur, um neue Inhalte und Formen plattdeutscher Lyrik  kümmerten.

Die Gedichte aus dem 1983 erschienenen Buch mit dem Titel "Spoor van Lieden allevedan"  befassen sich textlich mit den Jüdischen Mitbürgern in Vreden in den 1930-er Jahren.  Nachstehend ein Textbeispiel: 

Kin‘ fiene Woorde

In düsse Texte ist kin Plass För fiene Woorde, de nix üm’t Lief häbbt.

De bittere Waohrhäit von domaols kahs kin moij Kleedken ümdohn.

Hier ist Salt, wat  inne Wunnen brennt. 

Hier is de Rede van Piene und Dood. De Chronik von menslick Lieden.

Gedichte bünt kin Oegenverkläörung.

Hier is nich den Plass, waor dat düstere Starwen mit sachte Woorde todeckt wööd.

Dat Gedicht is den Plass  van de Waohrhäit, de to Doode kommen is.
 

Referiert wurden des weiteren die Gedichte „Steene schmieten“, „Kinnerleedken“, „Nacht“ (Ausführungen zur Reichsprogromnacht in Vreden), „Museum Auschwitz“ und „Nich een Woord“.  

Plattdeutscher Lesewettbewerb 2016

Die Cordula Grundschule beteiligte sich auch in diesem Jahr am plattdeutschen Lesewettbewerb der Kreisheimatpflege. Der Heimatverein Gemen durfte wiederum die Vorentscheidung auf der Ortsebene ausrichten. Ermittelt wurde, wer die Schule auf Kreisebene vertritt. Der Jury gehörten an: Christel Bernard, Schulleiterin, die Lehrerin Andrea Oßing, Alexander Hein für die Sparkasse Westmünsterland und Ludwig Kippert für den Heimatverein Gemen. Sechs Kinder lasen plattdeutsche Texte vor, die sie in der Schule und vor allem zu Hause mit den Eltern und vor allem Großeltern geübt hatten. Zum Schluß erhielten alle teilnehmenden Kinder ein Buchpräsent, gesponsert von der Sparkasse und auch einen Gutschein fürs Aquarius. Svenja Tepferd aus dem Böinhook wird die Schule auf Kreisebene vertreten. Der Heimatverein bedankt sich bei allen, die zum Gelingen beigetragen haben, fördern solche Veranstaltungen doch das Bewußtsein für unsere schöne plattdeutsche Sprache. Am 17. März wurden die Kreissieger ermittelt. Svenja Tepferd aus Gemen belegte hier einen schönen zweiten Platz.

 

Textproben:

Gedanken öwwer Gämen!

van Dr. Josef Schlüter
 
Nätt plesierig, maons daortüsken
Ook lück egen, graoff un fien,
Platt un dütsch, in`t „Kruse Büsken"
Mäöggt se sick so gerne lien.
Kärmis fiern no Art un schick:
Gämske Lö, `n Volk för sick.

Steht ook noch ne Koh te närken '
Hier un dor, ick segg' apatt:
Achterwäärs bün wie nich:
Veer Kärken, Kloster, Bahnen, Scholen satt,
Sprützenhüsken, Schloß, Fabrik, -
Is dat ich ne Stadt för sick?

Find's in't „Gängsken" bloß bi Beerte
Moie Pläßkes? Büs wall geck:
Storksnüst, Sternbuss, Gämen-Weerte,
Krückling bäs an't  „Schwaotte Heck",
Van de Ao no de Barge stick:
„Graofschopp Gämen", `n Land för sick.

Küms no Köln, no Rom, of Brämen
Tamm` un Wilde, Witt un Schwott,
Düselig prot se sick van Gämen,
Loopt uns boll de Paorten kott. –
Dusend Jaohr dör dünn un dick:
Gämen, - rats ne Wält för sick!

Josef Schlüter, geboren am 16.02.1914 – gestorben am 12.12.1995 stammt vom Bauernhof Schlüter in Gemenkrückling, Olden Goren 19. Im Jahre 1951 schrieb er seine Doktorarbeit über das Thema „ Die niederländischen Wörter in der westmünsterländischen Mundart“. Er war Studiendirektor in Waldniel  / Rheinland. 

Robert Kemper, Musikdirektor FDB, Gemen, hat das Gedicht in Musik umgesetzt und ein Lied daraus gemacht. Wir zeigen nachstehend die Noten. Wenn technisch umsetzbar, werden wir die Noten an dieser Stelle auch hörbar machen.

1) Gedicht: "Lao die nich underkriegen!"
 
Kümp die´t es maongs int Läwen quaod,
holl still, un laot dat Stäönnen
in düsse Wält bliw alls bi Maot,
drüm muß du´t mestern käönnen.
 
Probiär´t naoch enns, un gaoh ant Wark!
De Tande biet upeene!
Well gawe anpöck, ist ook stark,
wäörd fiärdig gans alleene.
 
Pack an, un günn ook andern wat!
du kas jao alls nicht schluken;
dat Hatte week, de Hande hatt!
So bruks di nich te duken.
 
von Ludwig Walters

 
2) Beispiele für Sprichwörter und Redensarten aus dem Braemgau
Gesammelt von Josef Schulze Selting, Ramsdorf
 
- Man kann ussen Herrgott vul afbidden, mer nich twingen.

- Usse Herrgott stüwt de Böhme, ehr dat sei in´n Hemmel waßt.

- De Düwel schitt immer up´n groten Hoob.

 - Frijen und Heuen passeert fake umsüß.

- Wenn de Katte muset, dann mauet se nich.

- Do kreit kin Hahn no.

- Un well up de Welt et längste läwt, arwet un krigg alls.


3) Bernhard Stewering hat zu der alten Pumpe in der Freiheit, die heute am Haus Grave steht, einen Text in Plattdeutsch verfasst, ein Beispiel für Gemener Platt:

Pumpe ant Heimathus
 
De olle Pumpe van ne Noberschop Friete,
stun lange Tied bie Heinz Osing to Miete.
Se is dör Frau Osing non Heimatverein gohn,
hef Generationen öwerstohn
und de Noberschop full Guts andohn
in all de Johrn.
 
De Pumpe was no old und stief
und hat n rappelig holtern Lief.
Dag un Nacht stun se parat,
off kolt, off warm dat Währ,
denn letzten Dropen was er nie te schad,
se goff em gerne her.
 
De olle Tied is no vörbie,
alle hebse sölwer er Water.
Seit nängtenhundert-näggennängzig is er Holtkled nij,
et is n Vörzeigestück för later.
 
No heff de Noberschop Friete de Pumpe währ,
se steht ant Heimathus „Grave“ vör de Dör,
heff de Renovierung got öwerstohn
un süht no genau so got ut as vör Johrn.
 
Bernhard Stewering

4) Günter Hying  hat auf Anfrage mehrere Gedichte ins Gemener Platt transferiert. Beispiele siehe unten



Weiteres zum Thema Plattdeutsch finden Sie im Internet auch unter:

 http://www.plattdeutsch.net
 http://www.plattduetsch-in-de-kark.de
 http://www.plattschapp.de

Das vom Heimatverein Vreden herausgegebene Mundartwörterbuch finden Sie
über die Liste "Links" unserer Internetseite und als Buch im Archiv des Heimatvereins Gemen
 

 Wissenschaftliche Einschätzung zur Situation des Plattdeutschen
 
Prof. Ludger Kremer, Heiden/Roetgen, hat in seiner Veröffentlichung „Dialektschwund im Westmünsterland“, herausgegeben im Jahre 2007 (im Archivbestand des Heimatvereins vorhanden) anschaulich den Rückgang des plattdeutschen Sprachgebrauchs dargestellt. Zusammengefasst führt Kremer u.a. aus:
 
Bis zum 2. Weltkrieg sind die Nicht-Plattsprecher meist Zugewanderte und  nur zum geringen Teil Einheimische der jungen Generation, die die Mundart nicht mehr erlernt haben.
Je nach Grad der Förmlichkeit und Öffentlichkeit nimmt der Gebrauch der Hochsprache zu.
 
Vor 1900 spricht man im ländlichen Münsterland allenthalben Plattdeutsch mit Ausnahme der (kleinen) adeligen Oberschicht u. einiger großbäuerlicher Familien, die dem Vorbild von Adel und Stadtbewohnern folgen.
 
In Borken wurden bis in die 1880er Jahre hinein die amtlichen und sonstigen Bekanntmachungen in niederdeutscher Sprache ausgerufen.
 
Auch wenn sich das Westmünsterland konservativer als das Kernmünsterland verhält, so sprechen ab Ende des 19. Jahrh. mehr und mehr Eltern mit ihren Kindern nur noch Hochdeutsch. Diese Tendenz geht von gesellschaftlich führenden Schichten aus und erfasst zunächst auch die dörflichen Eliten (Landärzte, Apotheker, Großbauern, Lehrer usw.) u. erreicht so allmählich die gesamte Bevölkerung.
 
Ausschlaggebend ist vor allem das nachlassende Prestige des Niederdeutschen. Vor allem die Großbauern haben eine entscheidende Rolle bei der Stigmatisierung des Niederdeutschen gespielt. Sie hielten sich häufig für Gutsbesitzer –wurden ab 100 ha Landbesitz auch offiziell so bezeichnet- und fühlten sich in den Gründerjahren gleichberechtigt mit den städtischen Unternehmern, denen sie in vielerlei Hinsicht nacheiferten, z.B. als äußere Standeskennzeichnung zweistöckige Villen.
 
Sprachliche Domänen
Plattsprechen ist deutlich mit Kennzeichen wie Vertrautheit, Bekanntheit, Bodenständigkeit, gleiche Herkunft usw. versehen, es hat gemeinschaftsstiftende Wirkung.
Vertrauensbildende Funktion: Krankenschwester spricht mit Patienten platt.
 
Ob man miteinander platt spricht, hängt davon ab,  ob man weiß, dass der Andere auch platt spricht.
 
Der Dialektschwund
Untersucht wurde die Situation bei Grundschulkindern, 4. Schuljahr
Sprachen 1981 noch 37,8 % der Eltern untereinander platt, waren es 2001 noch 15 %
Vater mit Kind: 1981 = 7,6 %, 2001 = 2,4 %,                
Mutter mit Kind: 1981 = 4,4 %, 2001 = 1,6 %               
Für alle Zahlen gilt: jeweils nur platt o überwiegend platt
 
Das heißt im Ergebnis, dass das Plattdeutsche im 21. Jahrh. kaum noch Chancen hat, es sei denn, Kinder lernen später noch platt, z.B. am Arbeitsplatz – das ist jedoch wenig wahrscheinlich.
 
Regional gefärbte Umgangssprache:
An die Stelle des Plattdeutschen ist bei der Mehrzahl der Bevölkerung eine hochdeutsche Umgangssprache getreten mit aus dem Plattdeutschen stammenden Wörtern u. Wendungen sowie artiklatorischen und grammatischen Dialektkennzeichnungen.
 
Beispiele: Dat, watt , fiese Möpp,
 
Vollständig wird das Niederdeutsche allerdings nicht untergehen, denn in den Ortsnamen, Flurnamen und vor allem in den Familiennamen, die zum größten Teil aus der mittelniederdeutschen Zeit stammen, also aus einer Zeit, als das sprachliche Umfeld noch rein niederdeutsch geprägt war, wird es erhalten bleiben. Sicherlich werden auch bestimmte lautliche und lexikalische Merkmale des Niederdeutschen weiterhin in der regionalen westfälischen Umgangssprache überdauern. Der heutigen jüngeren Generation und künftigen Generationen wird vieles jedoch zumeist unverständlich sein - Relikte aus längst vergangener Zeit.
 
Im Januar 2013 berichten die Westfälischen Nachrichten über Aktivitäten von Prof. Spiekermann von der Uni Münster in Sachen Plattdeutsch. Wir drucken den informativen Artikel nachstehend ab.
 
 

Schöner Fluchen auf Plattdeutsch

Westfälische Nachrichten Mo., 28.01.2013 Bericht von Karin Völker

Professor belebt die Mundart und baut ein neues Zentrum auf

 

Sprachwissenschaftler Helmut Spiekermann gründet an der Universität Münster ein Zentrum für niederdeutsche Sprache.

Münster - Platt gilt nicht eben als Umgangssprache an der Universität, zumal unter Professoren. Helmut Spiekermann will das ändern. Der Professor beherrscht nicht nur fließend das Plattdeutsche, er hat es sogar ins Zentrum seiner Forschung gerückt.

Mit ausdrücklicher Unterstützung der Universitätsleitung. Der Sprachwissenschaftler Spiekermann gründet an der Universität Münster ein Centrum für niederdeutsche Sprache.

Das Ziel ist eindeutig: Plattdütsk und alles was damit zusammenhängt soll im Alltag wieder an Bedeutung gewinnen. Kinder sollen in der Schule wieder per Sprache ein Heimatgefühl erleben. „Es wäre schön, wenn in den Schulen Plattdeutsch wieder auf den Lehrplan käme“, wünscht sich Helmut Spiekermann.

Er stammt aus dem Emsland und dort „kueren“ die Leute nicht wie in Westfalen und „schnacken“ auch nicht wie an der Küste. Helmut Spiekermann und seine Landsleute „proaten“. Auch wenn innerhalb des Niederdeutschen verschiedene Ausdrücke verwandt werden: Alle, die die Mundart beherrschen, verstehen sich, versichert Spiekermann. Dazu gehören im Übrigen auch die Menschen im östlichen Teil der Niederlande.

Jahrelang war der norddeutsche Professor in Freiburg und Würzburg tätig – und damit in Landstrichen, wo Mundart im Alltag viel selbstverständlicher gesprochen wird als beispielsweise Platt im Münsterland.

Je ländlicher die Gegend, desto eher ist Plattdeutsch auch in der Jugend noch lebendig, so die Mundart-Forschung. In Münster hört Spiekermann höchst selten Platt und findet das sehr schade. Einige Jahrzehnte lang galt Platt als Zeugnis von mangelnder Bildung, Eltern sprachen mit ihren Kindern nur noch Hochdeutsch“ sagt Spiekermann. Dieses Imageproblem habe das Plattdeutsche fast zum Aussterben gebracht.

„Wenn jetzt wieder plattdeutsche Worte häufiger auch von jungen Leuten benutzt werden, dann seien es in der Regel die Großeltern, die diesen Schatz an die Enkel weitergeben, sagt Spiekermann. Auf Platt, schwärmt er, lassen sich gerade emotionale Dinge schöner ausdrücken als im Hochdeutschen. Beispiel: Schimpfen und Fluchgen. Das plattdeutsche „Schiet“ klingt weit weniger ordinär und hart als die hochdeutsche Übersetzung.

Spiekermann will die Forschungen im Centrum für Niederdeutsch nicht nur auf die Sprache konzentrieren, sondern auch Geschichte und Geografie mit einbeziehen. In Ortsnamen und Landschaftsbezeichnungen sind plattdeutsche Worte auch heute noch vielfach üblich. Auch mitten in Münster, wo es die „Lütke Gasse“ gibt, den Drubbel, der seinen Namen vom schon früher dort herrschenden Gedränge hat, oder den Spiekerhof.

Der Spieker, der Speicher, kommt auch im Namen des Professors vor. „Meine Vorfahren waren Zimmerleute“, erzählt Spiekermann. Gut möglich, dass sie Speicher gebaut haben und dabei auch Spieker, also lange Nägel verwendet haben. Der Spieker im Namen hat also in jedem Fall seine Bewandtnis. Auch bei Helmut Spiekermann ganz persönlich: Der Professor spießt alles Plattdeutsche auf und speichert es ab.

Prof. Helmut Spiekermann freut sich über plattdeutsche Straßennamen in Münster - zum Beispiel den Spiekerhof.

Niederdeutsch und Hochdeutsch

Niederdeutsch oder „Plattdütsk“ ist nördlich einer west-ostwärts verlaufenden Linie in der Höhe von Düsseldorf zu Hause. Niederdeutsch ist die Sprache der Hanse, des früher so mächtigen Bündnisses, und hat in dieser Zeit als Schriftsprache bis nach Skandinavien zentrale Bedeutung. Dass das Niederdeutsche sehr viel weniger im Alltag gesprochen wird als Dialekte im Süden Deutschlands liegt nach Einschätzung von Prof. Spiekermann auch daran, dass das Hochdeutsche vom Niederdeutschen in Grammatik und Lautbildung weiter entfernt ist als die Mundarten in Bayern oder in Baden-Württemberg. Einer Renaissance der von vielen als wohlklingend empfundenen Mundart stehe das aber nicht entgegen, sagt der Professor. (Karin Völker)  

Plattdeutsch im Heimatverein

Ergebnisse einer Umfrage des Westfälischen Heimatbundes

zu den Aktivitäten der Heimatvereine im Bereich der plattdeutschen Sprache.

von Edeltraud Klueting · Statistische Auswertung: Wolfram Große-Hovest

 

Der Westfälische Heimatbund hat im April 2013 die Ergebnisse einer Umfrage zum Plattdeutschen in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Heimatpflege in Westfalen“  veröffentlicht. Die Zusammenfassung am Schluss der Veröffentlichung lautet:

„Das Ergebnis der Umfrage überrascht nicht, sondern bestätigt

die seit langem bekannte Tendenz, dass das Plattdeutsche

sich von einer Umgangssprache zu einem Kulturgut entwi-

ckelt hat und dass es in der Generation der Kinder und Ju-

gendlichen nahezu unbekannt ist. Ursachenforschung kann

mit der Umfrage nicht betrieben werden. Ihre Ergebnisse sol-

len aber den Gremien des Westfälischen Heimatbundes als

Grundlage für Überlegungen dienen, auf welche Weise die

Aktivitäten der Heimatvereine zur Bewahrung und Weiterga-

be des Plattdeutschen unterstützt werden können“.

Von Günter Hying transkribierte Gedichte:

Dree Könninge (Heinrich Luhmann)
 

Dree Könninge keemen van wiet her.

Se söchen den höchsten Heer:

wel satt op goldenen Troon,

van dusende Stäarne de Kroon´.

 

Se tröcken völl Daage un Nächte,

de hilligen Dree un earne Knechte.

 

Verdorsten wollen in´n Wüstensand

Kameele, Aesels un Elefant.

 

Se keemen doa an in Stolt un Staot,

in Purpur, Siede, Samt, Brokaot.

Se bröchen Weeiruk, Myrrhe an un Gold,

dat was vöör denn hööchsten Könning denn Sold.

 

Wat hebbt se funn`n nao all de Möit´?

In´n Stall een Kind op Stroo un Höi,

een Össken, een Essel, Kölde un Noot!

Un Könning dütt Kind door, arm und bloot?

 

De hooge Heerns – jao un wat dann ?

Se folln up de Knee un bääden an.

Dat Kleine wodde groot, dat Groote kleein,

So ging`t de hilligen Wiesen Dree´n.

 

Platt aus der Soester Börde, aangepaßt an het Westmönsterland van Günter Hying 

Winterdag (August Hollweg)

 

Et schneeit !

Et schneeit !

De Flocken, de fleeget,

se wipped un weeget

sick week up´n Wind.

Nu kuem doch, mien Kind,

un kiek es dat Wunder!

Dat kribbelt

un wimmelt

koppöwwer, koppunder

van´n Hemmel harunder

un mäck ut de gries-grööne, aösige Welt

een wunderweek silberhell, siedenwitt Zelt,

so as föllt doa een Droom

up Büske un Boom,

up Spieker un Schüür,

up Poarte un Müür

Un immer noch meer

wullwitte Flöckskes fallt up de Äärde.

 

Et schneeit !

Et schneeit !

 

Vannacht aber ritt,

wenn alle Welt witt,

up stewwigen Schimmel

Sünteklaas, ut`n Himmel

heraff up de Äär`

un achter em her

is gräsig und schwaott

sien Knecht up´n Patt

met Kaörwe un Pack,

met Rute un Sack.

 

Et schneeit !

Et schneeit !

 

Still, stille mien Kind!

Wat singt daor dör´n Schnee?

Wat klingt daor dör´n Wind?

Of dat Sünteklaas siene Klöckskes all sünnt?